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Haltung. Verbessert. Optimiert. Ergonomisch.

Bei der Ergonomie am Arbeitsplatz des Zahnarztes gibt es viele Unzulänglichkeiten.

(Fachbeitrag von Sharon Hinrichs, veröffentlicht in: IWW Informationsdienst, 2016)
 
Wenn über die Ergonomie am Arbeitsplatz gesprochen wird, fällt jedem sofort der Bezug zu Bürotätigkeiten ein. Dann wird empfohlen, die Tischhöhe zu optimieren bzw. einen höhenverstellbaren Tisch anzuschaffen, einen rückengerechten Stuhl zu nutzen und den Computer-Bildschirm besser auszurichten. Aber auch in Zahnarztpraxen gewinnt die Ergonomie zunehmend an ­Bedeutung. Worauf sollten Zahnarzt und Praxisteam also achten?

… und abends schmerzt der Rücken oder die Schulter.

Im Arbeitsalltag der Zahnarztpraxis steht die Lagerung des Patienten meist im Mittelpunkt; auf die eigene Haltung wird hingegen kaum geachtet. Dabei sind Fehlhaltungen und einseitige Belastungen am Arbeitsplatz auch für Zahnärzte die häufigsten Auslöser für Schmerzen im Rücken-, Schulter- und Nackenbereich. Nicht selten führen muskuläre Verspannungen zu Kopfschmerzen.

Die Zahl der Zahnärzte, die Kopf- und Nackenbeschwerden angeben, schwankt zwischen 40 bis 60 Prozent. Vor allem die lange tägliche Behandlungsdauer hat einen wesentlichen Einfluss auf die Häufigkeit der Beschwerden. Nicht ergonomisch ist hierbei z. B. die relativ statische, sitzende Arbeitsweise am liegenden Patienten, die häufig mit Zwangshaltungen und Bewegungs­armut verbunden ist. Vor allem bei Behandlungen am Oberkiefer – insbesondere auf der rechten Seite – verharren Zahnärzte lange Zeit in ­einer ungünstigen Zwangshaltung.

Die Mitarbeiterinnen, die am Stuhl assistieren, dürfen nicht vergessen werden – auch ihre Arbeitshaltung ist zu beachten. Fehlende Beinfreiheit bei ­Assistenz und Behandler – auch, um sich nicht gegenseitig zu behindern – führt dabei zu unnatürlichen Sitz- und Haltungspositionen.

Fallbeispiel: die gestresste Zahnärztin

Meine Physiotherapie-Praxis in Dortmund behandelt schwerpunktmäßig cranio-mandibuläre-Dysfunktionen. Diese Patienten kommen überwiegend auf Empfehlung eines Zahnarztes oder eines Kieferorthopäden zur Behandlung. Durch die intensive Zusammenarbeit mit Zahnärzten suchen diese die Physiotherapie-Praxis verstärkt auf.

Derzeit wird in der Praxis eine Zahnärztin mit Schulter- und Nackenbeschwerden rechts therapiert. Sie ist selbstständig und arbeitet täglich rund zwölf Stunden am Patienten, zusätzlich kümmert sie sich noch um Büro­arbeiten. Hinzu kommt, dass sie keinen Ausgleich zu ihrem Arbeitsalltag hat. Gefragt nach ihren Arbeitsbedingungen, berichtet die Zahnärztin, dass sie  rechts neben dem Patienten sitzt. Sie arbeitet somit mit ihrem rechten ­„langen“ Arm, den Oberkörper nach links gedreht. Der Kopf wird nach vorne geschoben und zeitweise überstreckt, beide Schultern zieht die Zahnärztin dabei nach oben. Zusätzlich kann es zum „Zusammensacken“ oder zum Überstrecken der Lendenwirbelsäule kommen, d. h. sie geht ins Hohlkreuz.

Haltungsschäden und Verspannungen sind die Folge

Durch ihre Arbeit mit der beschriebenen unnatürlichen Haltung kommt es bei der Zahnärztin zu Haltungsschäden und zu einem leichten „Witwen­buckel“ – hierunter ist der prominente Übergang der Halswirbel zur Brustwirbelsäule (CTÜ) zu verstehen. Zudem liegt eine Kopffehlstellung vor: Der Kopf steht nicht mehr senkrecht auf dem Brustkorb.

Daneben sind die Muskeln der Nackenstrecker verspannt, außerdem sind muskuläre Verspannungen der Schultermuskulatur auffällig. Die Beweglichkeit der Arme ist stark eingeschränkt, besonders beim Drehen nach innen, beim Abspreizen und beim Anheben der Arme. Schließlich ist auch die Aufrichtung des Oberkörpers eingeschränkt.

Prävention

Nach zahlreichen Therapiestunden wurden der Zahnärztin die folgenden Maßnahmen empfohlen, um ihre Körperhaltung künftig zu optimieren:
 

  • Aufrecht und nicht verdreht sitzen, Oberarme dicht am Körper halten, angewinkelte Unterarme aufstützen und Kopf nur leicht beugen
  • Füße flach auf den Boden stellen
  • Verspannungen aufspüren
  • Häufig wiederholende Sitzkontrolle: Kein Hohlkreuz machen, sondern im „Lot“ sitzen, Aufrichtung und Kopfkontrolle
  • Stuhlhöhe optimieren
  • Patienten so lagern, dass die Zahnärztin auch selbst eine ergonomische Haltung einnehmen kann – dies ist freilich oft ein Kompromiss, da Patienten häufig durch Haltungsschäden oder Schmerzen nicht alle Positionen einnehmen können
  • Anordnung der Instrumente optimieren
  • Dehnungen und Lockerungsübungen zwischen den Behandlungen
  • Statische Kräftigungen in Pausen (auch in der Praxis möglich!)
  • Ausgleichssport betreiben

 Fazit

In der Zahnarztpraxis wird es schwerer sein als im „normalen“ Alltag eines Büroangestellten, ergonomische Vorgaben umzusetzen. Doch sowohl Zahnärzte als auch Mitarbeiterinnen können sich ihrer „falschen“ Körperhaltung bewusst werden und z. B. ihre Sitzposition optimieren oder durch geeignete Ausgleichsübungen oder Sport den Folgeerkrankungen schlechter Haltung ent­gegenwirken. Auch die Forschung an Universitäten beschäftigt sich verstärkt mit dem Thema, sodass positive Auswirkungen für die Zukunft zu erwarten sind.

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