Die rotierende Gewebestimulationstherapie ist ein biomechanisches Verfahren und beruht auf der Übertragung rotierender Schwingungen mit definierter Amplitude und variabler Frequenz auf das vasomotorische und neuromuskuläre sowie auf das Knochensystem und das dermale System.
Die rotierenden Schwingungen lassen sich multifunktional einstellen durch variable Frequenzen, ausgewählte Applikatoren in Kombination mit der richtigen Behandlungstechnik und ermöglichen eine hochwirksame Behandlung bei einer Vielzahl von Indikationen:
- Tonusregulation der Muskulatur
- Detonisierung der hypertonen Muskulatur
- Tonisierung der hypotonen Muskulatur
- schnelle gezielte Hyperämie
- Schmerzlinderung durch Ausschaltung der Schutzmechanismen (Gate Control System)
- verstärkter Muskeleigenreflex
- Lösen, Verflüssigen und Mobilisieren von Bronchialsekreten
- Lösen von Verklebungen
- Ausleitung von Schadstoffen über das Lymphsystem
Rotierende GewebeStimulation RGS und ihre Anwendung in der Physiotherapie
Bei der RGS handelt es sich um eine Übertragung mechanischer Vibrationen mit bestimmter Schwingungsbreite und Frequenz auf das neuromuskuläre System. Die Idee dieser Stimulation beruht auf der mechanischen Imitation des physiologischen Tremors, also eine verstärkende, rotierende Fremdstimulation der angespannten Muskulatur, die zu einer Längsvibration der Muskelfasern, wie bei maximaler Belastung führt. Die Einwirkung erfolgt längs der Muskelfasern, das heißt „Vertikal“ in die Richtung, in der die normale Muskelkontraktion vor sich geht, oder „horizontal“ als exzentrische Form. Dies fördert einen intensiven Reiz der Mechanorezeptoren in den Muskelfasern, der damit auf direktem Wege zum ZNS gelangt. Die Frequenz der Vibration beträgt gewöhnlich 12 -60 Hz, das sind Werte, wie sie am häufigsten bei natürlichen Vibrationen der Muskeln zu beobachten sind (physiolog. Tremor). Am lebenden Körper vibrieren die Muskelfasern ständig mit unterschiedlicher Frequenz. Die Bewegungen erzeugen an den Sehnen einen Schwingungsprozess mit einem breiten Frequenzbereich, der auch im völligen Ruhezustand nachweisbar ist.
Durch Längenveränderungen des tendomuskulären Systems (Kontraktion oder Dehnung) variieren die Amplitude und die Frequenz der Schwingungen.
Die RGS beabsichtigt durch gezielte Beeinflussung der körpereigenen Schwingungsparameter positive Effekte im Muskel-Kreislauf und Lymphsystem und im Zusammenwirken von peripheren und zentralen Nervensystem zu erzeugen.
Wirkung auf das Kreislauf- und Lymphsystem
Wird die Umgebung einer Kapillare z.B. durch einen aktivierten Muskel komprimiert, wird das Blut aus dem Gefäß herausgepresst. In der folgenden Relaxionsphase wird die Ausgangsform des Gefäßes, dank der Wandelelastizität. wiederhergestellt und arterielles Blut kann nach fließen.
Durch klappenartige anatomische Bildungen, selbst in den feinen Kapillaren, wird der Rückfluss des venösen Blutes verhindert. Infolge forcierter Längsvibrationen kommt es so zu einer periodischen Entstehung eines Vakuums in den Kapillaren und folgerichtig zu einer erhöhten Pumpfunktion.
Experimentelle Untersuchungen an isolierten und teilisolierten Muskeln zeigten, dass sich durch Längsvibrationen der Muskeln, z.B. im Unterarm-Handbereich, die Pumpfunktion um ca. 10% und bei dynamischer Tätigkeit um 30% erhöhte.
Die RGS sorgt für eine signifikant höhere Durchblutung der stimulierten Gewebe.
Einwirkungen auf das Nervensystem
Eine weitere Möglichkeit der Beeinflussung des menschlichen Organismus, ist die Reizung der Rezeptoren im neuromuskulären System. Informationen aus der Peripherie gelangen über die sensorischen Bahnen in das ZNS. Die Reizung dieser Nerven erfolgt an ihren Enden, den Mechanorezeptoren. Es handelt sich um feine Enden von Nervenverästelungen ohne Hülle, die eine oder mehrere Muskelfasern spiralförmig umwinden. Mechanorezeptoren werden auch Propriorezeptoren genannt. Sie liefern kinästhetische Informationen (Gefühl für Position, Bewegung und Belastung). Mechanorezeptoren gibt es in Muskeln, Sehnen, Fascien und Bindegewebe, das praktisch in allen Organen vorhanden ist.
Bei einer Verformung solcher Nervenendigungen (z.B. bei Längenveränderung des Muskels) erfolgt eine Reizung der Nerven und das von ihnen ausgehende Potential gelangt zum ZNS. Bei der RGS werden Muskelfasern, Sehnen, Fascien und Kapseln gedehnt und gelockert. So kommen im ZNS in großen Mengen Signale an, die systematische Reaktionen des gesamten Organismus hervorrufen.Durch Reizung der Mechanorezeptoren, deren fortgeleitete Informationen ins ZNS gelangen, kommt es zu Erregnungszuständen der motorischen Zone der Großhirnrinde.
Der Reizeffekt an den Rezeptoren hängt nicht so sehr von der Stärke, sondern von der Reizgeschwindigkeit ab. Frequenzen, die für die Blutpumpfunktion des Muskels optimal sind, unterscheiden sich von denen, die für die Reizung der Mechanorezeptoren günstig sind. Durch Änderung der Parameter kann man jeweils die eine oder andere Funktion des Organismus vorrangig beeinflussen.
Einwirkungen auf die Beweglichkeit
Untersuchungen der Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt zeigten, dass es bei einer Anwendungsdauer von 3 x 2 Min. mit jeweils zwei Min. Pause zwischen den Serien zu einer spontanen Erhöhung der Beweglichkeit in beträchtlichem Ausmaß von 10 -15 % der Muskellänge kommt. Diese Segmentverlängerung ist bei einmaliger Anwendung reversibel und hält ca. 30 Min. an. Bei längerfristiger Anwendung eignet sich die RGS in hervorragender Weise zum Beweglichkeitstraining. Über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen bei zwei Trainingseinheiten pro Woche konnten Zuwachsraten von 20 -30 % erzielt werden. Damit ist die RGS anderen Dehntechniken vorzuziehen.
Neurophysiologisch ist der Zugewinn an Flexibilität zu erklären, da es zu einer Stimulation der Golgi-Sehnenorgane kommt. Erregungen der Golgi-Sehnenorgane führen zu einer Inhibition der Kontraktion, gefolgt von einer Relaxion des Muskels. Die Universitäts-Hautklinik Tübingen hat eine Studie mit sechs Patienten mit arthrogenem Stauungsödem infolge einer schweren chronischen Venenerkrankung vorgenommen. Der physiologische Bewegungsumfang im oberen Sprunggelenk ist ein wesentlicher Faktor der Funktionsfähigkeit der Wadenmuskulatur. Es kommt zum circulus vitiosus. Das Ausmaß der Bewegung im oberen Sprunggelenk korreliert eng mit der venösen Abpumpleistung, und die reduzierte venöse Abpumpleistung mit Stauung im Gewebe kann zu langfristigen Beeinträchtigungen im oberen Sprunggelenk führen.
Die bislang in der Praxis realisierten therapeutischen Maßnahmen bei diesem Krankheitsbild reichen von Kompressionsverbänden, Gefäßtraining über ein individuell adaptiertes krankengymnastisches Übungsprogramm mit PNF. Jetzt wurde erstmalig die RGS eingesetzt mit zehn Behandlungen über zwei Wochen mit jeweils 15 Min. Einzelbehandlung. Es kam zu einem deutlichen Zugewinn an Sprunggelenkbeweglichkeit. Verbesserung des Gangbildes und daraus resultierende Mobilität, mehrstündige posttherapeutische Schmerzfreiheit und zu einer völligen Einheilung der im Anschluss an die Mobilisation vorgenommene Transplantation.
Auch bei Kontrolluntersuchungen nach vier Wochen war der Hautzustand sehr gut und die Sprunggelenkbeweglichkeit blieb auf dem Stand des vorigen RGS-Therapieresultates.
Die Ursache für die spontane Segmentveränderung beruht mit großer Wahrscheinlichkeit auf der sensibilitätsverstellung im Muskelspindel. sowie auf Veränderungen der bindegewebigen und muskulären Strukturen. Die Ergebnisse im rehabilitativen Bereich zeigen, dass sich mit der RGS Verklebungen infolge von Narbenbildungen der Verletzungen wirkungsvoll behandeln lassen!
Behandlungsbeispiele aus dem Bereich Neurologie z.B. Apoplex
Bei Lähmungen im Arm-und Beinbereich beginne ich die Stimulation auf dem sogenannten Silikonapplikator mit einer niedrigen Frequenz von 22 bis 24 Hz zur Durchblutungsverbesserung und Gewöhnung des Patienten an die Stimulation für ca. zwei Min. (bei schlaffen und spastischen Lähmungen), dann steigere ich die Frequenz auf 26 -28 Hz für drei Min. (pro Muskelgruppe). Anschließend bis zum 60 Hz für noch drei Min.
Bei einer spastischen Hemiparese bringe ich den Patienten in eine reflexhemmende AGSt. Unter der Vibration versucht der Patient sich entgegen dem zu erwartenden spast. Muster zu bewegen, z.B. das Öffnen der Finger, die Abd. des Daumens, Dorsalflexion im Handgelenk und Extension im Ellenbogengelenk. Bewährt hat sich der Einbezug der gesunden Körperhälfte, da so weitgehend die Symmetrie des Körpers gewährleistet wird. Je nach Schweregrad begibt sich der Patient in unterschiedliche AGSt wie Sitz, Stand, Einbeinstand usw. Überraschend für mich zeigte sich, dass selbst eine forcierte Stimulation der Unterarmflexoren oder Fingerflexoren nie zu einer Verstärkung des spast. Musters führte sondern das, ganz im Gegenteil, die Hände leichter zu öffnen sind und der Daumen fast immer aus der Adduktionsstellung zu lösen ist. Diese Normalisierung der Tonusverhältnisse erleichtert dem Patienten „normale Bewegungen“ und die Folgezeit kann für aktive Bewegungen besser genutzt werden. In der Regel hält die Normalisierung der Tonusverhältnisse anfänglich ca. ein bis fünf Stunden an.
Patienten mit schlaffer Parese werden mit einer höheren Frequenz von 28 bis 32 Hz behandelt. AGSt und Art der Stimulation sind identisch mit denen der spast. Hemiparese. Zusätzlich wird die Muskulatur in einem solchen Fall manuell stimuliert. Der Patient wird aufgefordert, sich die gewünschten Bewegungen bildhaft vorzustellen und sie dann auszuführen, wobei wir als Therapeuten diese Bewegung dann unterstützen.
Behandlungsbeispiele aus dem orthopädischen Bereich
1.) Chondropathia patallae
Die versuchsweise mit Frequenzen zur Durchblutungsverbesserung, dem Muskelaufbau und der Schmerzbehandlung therapiert wird. Behandlungsintervalle von 3 x pro Woche für ca. 10 Min. haben sich als sehr erfolgreich erwiesen.
2.) Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk, z.B. bei der Coxarthrose
Detonisierende Maßnahmen im Bereich der verspannten und verkürzten Muskulatur wie z.B. des M. tensor fasciae latae und tractus iliotibialis. Muskeldehnungen der Adduktoren, ARO und Flexoren einschließlich des M. rectus femoris, M. erector trunci lumbalis und M. quadratus lumborum.
Bei starken Hüftbeugekontraktionen sollte auch der M. trizeps surae sowie die kurzen Fußmuskeln gedehnt werden. Die Behandlung richtet sich in der Wahl der Frequenzen nach dem Beschwerdebild. Z.B. bei Verkürzungen der Muskeln wird eine andere Frequenz gewählt, wie z.B. zur Schmerzlinderung, die sich im oberen Bereich von 28 bis 30 Hz ansiedelt.
3.) Carpaltunnelsyndrom und Tennisellenbogen
Bilden eine ideale Indikation für die RGS. Bei der Insertionstendopathie kann die knöcherne Insertion durch eine punktförmige Applikation optimal therapiert werden.
Altbewährte Techniken aus der Physiotherapie wie z.B. Querfriktion sind unter der Vibration um ein vielfaches wirkungsvoller. Dieses wirkt sich besonders bei diesem Krankheitsbild positiv aus.
4.) Periarthritis humeroscapularis / Störungen im Bereich der Rotatorenmanschette
Hier handelt es sich wohl in erster Linie um den M. supraspinatus. Auch dieses Krankheitsbild lässt sich mit der RGS sehr gut therapieren! Die signifikant höhere Durchblutung des stimulierten Gewebes, die spontane Erhöhung der eingeschränkten Beweglichkeit sowie die Reduzierung von Schmerzphänomenen erleichtern die Therapie dieses Krankheitsbildes ganz erheblich.
5.) Kiefergelenkdysfunktion
Diese Funktionsstörung lässt sich hervorragend therapieren, wenn die Ursache der genannten Beschwerden in der gelenksumgebenden Muskulatur liegt. So ist z.B. der M. masseter zu 70 % und der M. pteryoideus zu 84 % an dieser schmerzhaften Dysfunktion beteiligt.
Therapeutisch behandle ich bei diesen Patienten die Triggerpunkte dieser Muskeln aus einer gedehnten Ausgangsstellung mit indirekten Techniken. Bereits nach ein bis drei Stimulationen lassen die Schmerzen nach und der Patient kann seinen Mund wieder weiter öffnen.
6.) Rückenschmerz / akute Lumbalgie
Am Beispiel der akuten Lumbalgie (akuter Rückenschmerz) z.B. im Verlauf des Blasenmeridians, lässt sich die Wirkungsweise der RGS in Bezug auf die Schmerzlinderung erklären!
Sie wird ausgelöst durch die starke Aktivierung der Mechanorezeptoren, dadurch wird das Gate-control-System of Pain (nach Melzack und Wall) aktiviert. Dieser Mechanismus wird durch Mechanorezeptorenaktivitäten und Nozizeptorenaktivitäten gewährleistet.
Bei den Nozizeptoren handelt es sich um myelinfreie Nervenendigungen mit myelinfreien langsam leitenden Nervenfasern. Auf Rückenmarksebene, in der Substantia gelantinosa des Hinterhornes, können Nozizeptoren Informationen durch einen komplexen Hemm-Mechanismus gefiltert werden.
Bei Ansteigen der Nozizeptorenmeldungen – im Falle eines Schadens im Organismus – wird durch das Überhandnehmen der Nozizeptorenmeldungen das Gate-System deaktiviert, so dass die Meldungen der Nozizeptoren weitergeleitet werden können. Über den Tractus spinothalamicus zu den suborticalen Strukturen. Hier kommt es zu einer Aktivierung von Schonprogrammen. Die Bewegung wird modifiziert, gehemmt oder blockiert.
Die Hemmung der Nozizeptorenaktivitäten übernehmen die Mechanorezeptoren. Mechanorezeptoren melden ständig Bewegungen -Bewegungsänderungen, Muskelspannungen usw. Hier finden wir nun den Transfer zu unserer Arbeit mit der biomechanischen Stimulation. Durch die Muskelaktivität werden die Mechanorezeptoren vermehrt aktiviert und somit das „Schmerztor“ geschlossen.
Kontraindikationen:
- Implantate (Metall)
- Endoprothesen
- Frische Apoplexe
- Frakturen mit inkompletter Durchbauung
- Pseudoarthrosen
- Thrombosen / Aneurysmen
- Frische Sehnen- / Bandrupturen
- kurzzeitig zurückliegende Operationen
- Rheuma im Schub
- MS im Schub
- Unspezifische und spezifische Entzündungen
- Bösartige Erkrankungen
- Schrittmacher
- Diabetische Polyneuropathie
- Vorsicht bei Diabetikern: Blutzuckerkontrolle.
Es kommt zu einem Abbau von ca. 60 -150 Einheiten pro Stunde Behandlung.